24.09.2010, 03:38
Die fabelhafte Suche nach dem blauen Würfel
Ein Drama in drei Akten
Nicht selten kommt es vor, dass in der Hitze des Rollenspiels ein geliebter Würfel verschwindet. Selten erhascht man den Augenblick, wo das Verschwinden passiert. Selten gibt es Hinweise über den Verbleib. Die Tatwaffe? Fast immer unauffindbar. Selten ein Lederbecher. Aber was kann der schon dafür? Es kann jeden Spieler und jeden Würfel treffen - selbst die Semi-Profis, die in einen lieb gewonnenen Würfelteller würfeln. Plötzlich ist er weg. Man lässt den Blick schweifen. Verdächtigt die Mitspieler und versucht mehr herauszufinden, indem man möglichst unverfängliche Fangfragen stellt. "Hat vielleicht jemand meinen blauen W10 gesehen?" Die Antwort? Unschuldige Blicke. Schulterzucken. Allgemeine Ratlosigkeit. Keine Hilfe beim Problem. Wann? Wo? Warum? Dann die philosophische Selbstreflexion: Hatte ich ihn überhaupt dabei? Gibt es ihn überhaupt? Lebe ich überhaupt oder ist alles nur Illusion? Und warum - oder warum nicht? Das Universum scheint für einen Augenblick stillzustehen. Die gesamte Materie fällt innerhalb eines einzigen Moments zurück in den Urknall und zentriert sich in einem inhaltslosen Gedanken, der die Existenz eines Gottes oder des unpersonifizierten Schicksals nahelegt - oder vielleicht auch einfach, dass das blöde Ding versehentlich in die Chipsschüssel gefallen ist. Aber nein, auch dort gähnt die Abwesenheit des Objekts der Begierde. Der Würfel bleibt verschwunden. Man verabschiedet sich irgendwann und verlässt den Ort des unglaublichen Geschehens.
Wochen später: Man sitzt wieder an der gleichen Stelle und muss einen wichtigen Wurf bestehen. Da war doch was? Genau! Mein blauer Glückswürfel. War er nicht zuletzt hier auf dem Tisch gelegen? Friedlich. Glücklich. Freundlich und allzeit bereit Ergebnisse von 00 bis 90 zu liefern? Der Schmerz kehrt zurück! Tränen wollen fast ihren Weg bahnen, der Ort des letzten gemeinsamen Glücks drückt schwer auf das unschuldige Gemüt. Und wieder taucht aus dem unteren Bewusstsein eine unausweichliche Frage auf:"Sag mal, Markus, ist eigentlich zufällig mein Würfel aufgetaucht? Du weißt schon, dieser blaue!" Doch die Antwort ist ein fast beiläufiges Nein. Eine unkonzentrierte, flüchtige Antwort, die der ernsten Situation nicht im entferntesten gerecht wird. Schweigen. Und dann kommt das Begreifen. Die Anteilnahme. Eine Rechtfertigung:"Sorry, ich kam leider noch nicht zum Suchen." Schließlich auch Worte der Hoffnung. "Aber das Haus verliert nichts. Der taucht schon wieder auf." Aber kann es angesichts dieser langen Zeit überhaupt noch Hoffnung auf Rückkehr geben? Der Glaube fällt schwer, doch er ist der letzte glimmende Funke in der ewigen Dunkelheit der einsamen Seele.
Weitere Wochen später: Ein junger Recke macht sich auf, um große Abenteuer zu bestehen. Erst 9 Lenze zählt der fahrende Forscher, doch er hat spezielle Gaben entwickelt. Intensivst auf dem Teppich spielen. Sich verkrümeln. Und unter Sofas gucken. Er ist der typische Held, der zum richtigen Zeitpunkt ... äh nein, aber immerhin am richtigen Ort ist. Er ist ein Mensch, der es schaffen kann. Er hat etwas unter dem fluffigen Sitzmöbel erspäht. Er muss es nur tun. Danach greifen! Ungeachtet der ungewissen Gefahren, die dort zwischen Staubflocken aller Kulturepochen lauern. Und ... er tut es. Seine Hand umschließt etwas, das im Dunklen liegt und interessant auszusehen scheint. Die Faust kehrt zurück ins Licht. Sie öffnet sich. Und da liegt er: Rein. Unschuldig. Blau! Ein W10 wie er noch nie zuvor so glückselig von der Welt erblickt wurde. Das erwartungsfrohe Gesicht entspannt sich. "Ach, einer von diesen blöden Würfeln." Unser junger Held weiß nicht, dass er gerade das Universum zurechtgerückt hat. Ein paar in Unordnung geratene Nachkommastellen der Wirklichkeit wurden gerade wieder zurück auf 1 gerundet und plötzlich ergibt alles wieder einen Sinn. Der blaue Würfel wird auf den Tisch zurück gelegt. Achtlos zwar, aber da liegt er nun. In freudiger Erwartung, dass sein Besitzer zurückkehrt - und sie gemeinsam nach hause gehen können.
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Ein Drama in drei Akten
Nicht selten kommt es vor, dass in der Hitze des Rollenspiels ein geliebter Würfel verschwindet. Selten erhascht man den Augenblick, wo das Verschwinden passiert. Selten gibt es Hinweise über den Verbleib. Die Tatwaffe? Fast immer unauffindbar. Selten ein Lederbecher. Aber was kann der schon dafür? Es kann jeden Spieler und jeden Würfel treffen - selbst die Semi-Profis, die in einen lieb gewonnenen Würfelteller würfeln. Plötzlich ist er weg. Man lässt den Blick schweifen. Verdächtigt die Mitspieler und versucht mehr herauszufinden, indem man möglichst unverfängliche Fangfragen stellt. "Hat vielleicht jemand meinen blauen W10 gesehen?" Die Antwort? Unschuldige Blicke. Schulterzucken. Allgemeine Ratlosigkeit. Keine Hilfe beim Problem. Wann? Wo? Warum? Dann die philosophische Selbstreflexion: Hatte ich ihn überhaupt dabei? Gibt es ihn überhaupt? Lebe ich überhaupt oder ist alles nur Illusion? Und warum - oder warum nicht? Das Universum scheint für einen Augenblick stillzustehen. Die gesamte Materie fällt innerhalb eines einzigen Moments zurück in den Urknall und zentriert sich in einem inhaltslosen Gedanken, der die Existenz eines Gottes oder des unpersonifizierten Schicksals nahelegt - oder vielleicht auch einfach, dass das blöde Ding versehentlich in die Chipsschüssel gefallen ist. Aber nein, auch dort gähnt die Abwesenheit des Objekts der Begierde. Der Würfel bleibt verschwunden. Man verabschiedet sich irgendwann und verlässt den Ort des unglaublichen Geschehens.
Wochen später: Man sitzt wieder an der gleichen Stelle und muss einen wichtigen Wurf bestehen. Da war doch was? Genau! Mein blauer Glückswürfel. War er nicht zuletzt hier auf dem Tisch gelegen? Friedlich. Glücklich. Freundlich und allzeit bereit Ergebnisse von 00 bis 90 zu liefern? Der Schmerz kehrt zurück! Tränen wollen fast ihren Weg bahnen, der Ort des letzten gemeinsamen Glücks drückt schwer auf das unschuldige Gemüt. Und wieder taucht aus dem unteren Bewusstsein eine unausweichliche Frage auf:"Sag mal, Markus, ist eigentlich zufällig mein Würfel aufgetaucht? Du weißt schon, dieser blaue!" Doch die Antwort ist ein fast beiläufiges Nein. Eine unkonzentrierte, flüchtige Antwort, die der ernsten Situation nicht im entferntesten gerecht wird. Schweigen. Und dann kommt das Begreifen. Die Anteilnahme. Eine Rechtfertigung:"Sorry, ich kam leider noch nicht zum Suchen." Schließlich auch Worte der Hoffnung. "Aber das Haus verliert nichts. Der taucht schon wieder auf." Aber kann es angesichts dieser langen Zeit überhaupt noch Hoffnung auf Rückkehr geben? Der Glaube fällt schwer, doch er ist der letzte glimmende Funke in der ewigen Dunkelheit der einsamen Seele.
Weitere Wochen später: Ein junger Recke macht sich auf, um große Abenteuer zu bestehen. Erst 9 Lenze zählt der fahrende Forscher, doch er hat spezielle Gaben entwickelt. Intensivst auf dem Teppich spielen. Sich verkrümeln. Und unter Sofas gucken. Er ist der typische Held, der zum richtigen Zeitpunkt ... äh nein, aber immerhin am richtigen Ort ist. Er ist ein Mensch, der es schaffen kann. Er hat etwas unter dem fluffigen Sitzmöbel erspäht. Er muss es nur tun. Danach greifen! Ungeachtet der ungewissen Gefahren, die dort zwischen Staubflocken aller Kulturepochen lauern. Und ... er tut es. Seine Hand umschließt etwas, das im Dunklen liegt und interessant auszusehen scheint. Die Faust kehrt zurück ins Licht. Sie öffnet sich. Und da liegt er: Rein. Unschuldig. Blau! Ein W10 wie er noch nie zuvor so glückselig von der Welt erblickt wurde. Das erwartungsfrohe Gesicht entspannt sich. "Ach, einer von diesen blöden Würfeln." Unser junger Held weiß nicht, dass er gerade das Universum zurechtgerückt hat. Ein paar in Unordnung geratene Nachkommastellen der Wirklichkeit wurden gerade wieder zurück auf 1 gerundet und plötzlich ergibt alles wieder einen Sinn. Der blaue Würfel wird auf den Tisch zurück gelegt. Achtlos zwar, aber da liegt er nun. In freudiger Erwartung, dass sein Besitzer zurückkehrt - und sie gemeinsam nach hause gehen können.
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